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Wissenschaft

So nicht! Oder, wenn medizinische Studien missbraucht werden!

03. Dezember 2018

Die empirische Befundlage zum Kraft- oder Widerstandstraining (im Englischen wird für den Fitnessbereich die Bezeichnung „resistance training“ statt „strength training“ bevorzugt) zeigt, dass ein regelmäßiges Resistance Training (RT) neben einer Erhöhung der Muskelkraft und Vergrößerung der Muskelmasse unter anderem auch zu einer Verbesserung des Stoffwechsels und zu einer verringerten Mortalität führt.

Zusammenfassend können mit einem RT gesundheitsförderliche Effekte nachgewiesen werden. Was allerdings jetzt über die Fitness-Ticker des WWW, z. B. www.sciencedaily.com (englisch) oder www.diagnosia.com (deutsch) aus einer publizierten Studie im renommierten Journal „Medicine & Science in Sports & Exercise“ abgeleitet wird, muss als Irreführung von Fitnesstreibenden und Fitnessinteressierten wider besseren Wissens bezeichnet werden.

In einer groß angelegten Studie wurden fast 13.000 Personen (im Alter zwischen 18 und 89 Jahren und davon 21 % Frauen), die an mindestens zwei medizinischen Untersuchungen an der Cooper-Klinik in Dallas, Texas (alle kennen wahrscheinlich den Cooper-Test über 3.000 m) zwischen 1987 und 2006 teilgenommen hatten, im Nachgang von ungefähr 5-10 Jahren medizinisch untersucht und zum Freizeitverhalten, z. B. Alkohol- und Zigarettenkonsum, Ausdauer- und Krafttrainingsumfang usw. befragt.

In der Wissenschaft nennt man solche Studien ein Follow-Up, da im Anschluss bzw. im Nachhinein untersucht wird, wie sich etwas seit dem entwickelt hat. Mit den Daten werden dann ex post, d. h. im Nachhinein Zusammenhänge berechnet, die eine Beziehung zwischen zwei oder mehreren Variablen ausdrücken, aber keine kausale Interpretation gestatten. Ein Zusammenhang bzw. eine Korrelation zeigt eben nicht – auch wenn das umgangssprachlich des Öfteren passiert - , ob die eine Variable die andere Variable oder umgekehrt beeinflusst hat.

Wenn wir die genannten Aspekte auf die oben angeführte Studie beziehen, dann entsteht folgendes Bild: Die Autoren beschreiben ein empirisches Ergebnis, schreiben von Zusammenhängen und nicht von kausalen Beziehungen und schlussfolgern, dass eine Stunde Krafttraining in der Woche, aber nicht zwei oder mehr Stunden pro Woche mit einem verringerten Risiko an kardiovaskulären Erkrankungen und mit einer geringere Mortalitätsrate assoziiert ist, wobei ein erhöhter BMI diese Assoziation mediiert, d. h. einen vermittelnden Einflussfaktor zwischen RT und kardiovaskulären Erkrankungen darstellt.

„Übersetzt“ bedeutet die letzte Aussage, dass der Zusammenhang zwischen RT und weniger kardiovaskulären Erkrankungen bei Personen mit einem geringen BMI eher zutrifft, jedoch bei Personen mit einem höheren BMI weniger oder gar nicht zutrifft. Bereits der Blick in die Originalstudie (hier klicken) zeigt in der Überschrift den Begriff „association“ und nicht „influence“.

Schaut man sich die Originalstudie genauer an, dann fallen noch weitere Punkte auf. Bei den fast 13.000 Personen wurden 205 kardiovaskuläre Erkrankungen (mit und ohne Todesfolge) und insgesamt 276 Todesfälle beobachtet. Das sind 1,6 Prozent kardiovaskuläre Erkrankungen. Der anschließende Vergleich zwischen einem RT oder keinem RT zeigt unabhängig vom aeroben Ausdauertraining und dem Geschlecht ein um 40-70 % reduziertes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, d. h. für die gefundenen 1,6 Prozent in einer Stichprobe von fast 13.000 Personen.
Die beeindruckenden 40-70 % entstehen nur dadurch, wenn für die 1,6 % die absoluten Zahlen berücksichtigt werden. Wenn dann noch dazu kommt, dass das Krafttraining selbst nicht geprüft wurde und nur die Daten aus dem Fragebogen verwendet wurden (worauf die Autoren selbst auch hinweisen), dann sollte deutlich werden, dass die plakative Aussage „Krafttraining ist das neue Laufen“ (www.diagnosia.com) nur bewusste Irreführung sein kann.

Im Gegensatz zu der „Falschmeldung“ weisen die Autoren in ihrer Diskussion aber darauf hin, dass die Befundlage nicht eindeutig ist und ihre Studie auch bestimmte Limitationen durch die aus dem Fragebogen abgeleiteten und nicht geprüften Angaben zum Ausdauer- und Krafttrainingsumfang hat. In ihrem Fazit verweisen die Autoren darauf, dass auch der Zusammenhang zum Krafttraining durch andere Kriterien, z. B. durch einen gesünderen Lebenswandel bedingt sein könnte und für die Prävention vor kardiovaskulären Erkrankungen Ausdauerübungen durch Kraftübungen zu ergänzen sind, weitere Forschung notwendig erscheint usw.

Es ist also bei weitem nicht alles so eindeutig, wie es uns bestimmte Sekundärquellen weismachen wollen.

Mein persönliches Fazit lautet: Krafttraining lohnt sich, aber ob durch weniger als eine Stunde Widerstandstraining mein kardiovaskuläres Risiko geringer wird, konnte durch diese Studie nicht gezeigt werden. Dass aber Krafttraining in Verbindung mit Gewichtsreduktion, gesunder Ernährung und Treppensteigen statt Fahrstuhlfahren usw. meiner Gesundheit gut tut, davon bin ich überzeugt und ernstzunehmende wissenschaftliche Befunde gibt es dazu zahlreiche.

Ein Hoch auf Sport und Bewegung!

Prof. Dr. Dirk Büsch

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